Dass es kalt werden würde auf meiner Reise zu den Polarfüchsen, war mir schon Monate davor mehr oder weniger bewusst. Doch darüber nachzudenken und plötzlich bei gefühlten minus 15 Grad, stark begrenzter Sicht und einem Schneesturm mitten im Nirgendwo zu stehen und auf einen Polarfuchs zu warten, während die eigene Kamera kaum noch stillzuhalten ist, überstieg all meine Vorstellungen. Doch von Anfang an:
Vorbereitung ist alles
Thermounterwäsche, Fleecepullover, eine Regenjacke und zwei Daunenjacken, die für -5 bis maximal -15 Grad ausgelegt sind, standen neben meiner Kamera ganz oben auf meiner Packliste. Eine Woche mit extremen Wetterbedingungen lag vor uns, und ich fragte mich, ob das wirklich das Richtige für mich war. Aber der Wunsch, einen Polarfuchs im Winterfell zu sehen, war stärker. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, oder?
Geplant war eine Reise zu dem Ort, an dem ich schon im Sommer 2023 eine knappe Woche mit den Polarfüchsen verbringen konnte. Der Ort ist menschenleer, es gibt keinen Handyempfang und keinen Komfort wie eine Toilette. Perfekt, um den Tieren ungestört näher zu kommen. Doch so „einfach“ es in den Sommermonaten war, umso schwieriger sollte es im Winter sein. Allein hat man keine Chance mehr, in diese Gegend zu kommen. Man braucht einige Genehmigungen und darf nicht alleine sein. Anfragen mit einem Zelt aufzubrechen wurden sofort mit dem Verweis auf unzählige riskante Rettungsaktionen in den Jahren davor abgelehnt – Waurm nur?
Wir hatten Glück und lernten durch Zufall jemanden kennen, der ebenfalls eine Reise in den Norden plante. Neben den Polarfüchsen standen auch Landschaftsaufnahmen ganz oben auf dem Programm. Er brachte nicht nur die notwendigen Genehmigungen mit, sondern auch ein Filmteam, den Besitzer zweier kleiner Hütten und einen weiteren Bekannten. Somit war unser Team komplett.
Unsere Reise begann
In den ersten zwei Tagen erkundeten wir einige der schönsten Orte im Norden Islands. Mein Highlight waren die Islandpferde, die mich schon im Sommer faszinierend in ihren Bann gezogen hatten. Unsere Gruppe bestand, bis auf mich selbst, nur aus Männern. Daher brauchte es etwas Überzeugungskraft, um länger bei den Pferden verweilen zu können. Mit der Zeit wurde das Wetter immer stürmischer, und die Temperaturen sanken.
Auf geht’s zu den Polarfüchsen
An Tag 3 wollten wir in den Morgenstunden mit einem privaten Boot aufbrechen und uns nach einer zweieinhalbstündigen Fahrt an unserer geplanten Stelle absetzen lassen. Leider nahm der Sturm immer mehr zu, und es wurden sechs Meter hohe Wellen gemeldet. Wir mussten umplanen. Stattdessen ließen wir uns an einer für uns bisher unbekannten Stelle absetzen. Neben den endlosen Küsten und Steilhängen hatten wir nur eine kleine Hütte zur Verfügung, die wir uns alle teilen mussten. Doch wir waren ja nicht hier, um Urlaub im klassischen Sinne zu machen. Jeder hatte seine eigenen Bilder und Vorstellungen vor dem inneren Auge. Doch so verrückt, wie ich auf den Polarfuchs war, war keiner der anderen.
Noch bevor wir unsere Sachen aus dem Boot tragen konnten, lief ein Polarfuchs weit oben am Hang entlang. Jeder, der mich kennt, weiß, was im nächsten Schritt passieren würde. Ohne zu zögern zog ich meine gut verpackte Kamera inklusive Objektiv aus dem Rucksack und hatte sie innerhalb weniger Minuten einsatzbereit. In dem Moment hatte ich alles um mich herum vergessen.
Zwischen zwei Hängen fand ich ihn einige Minuten später wieder. Langsam legte ich mich hin und hatte schneller als erwartet die ersten Bilder auf meiner Speicherkarte. Er spielte und rollte sich im Schnee, fing Schneeflocken und lief am Ende direkt in meine Richtung. Nur wenige Meter vor mir stoppte er, legte sich hin und schaute mir in die Augen. Das alles geschah innerhalb von Sekunden, und doch schien die Zeit in diesem Augenblick stillzustehen. Kurz darauf rannte er an mir vorbei in Richtung Küste. Es war ein Moment, der sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt hat.
Der Sturm nahm immer mehr zu, und schon vor dem Einbruch der Dunkelheit hatten wir kaum noch Sicht. Die Nacht war kalt und kurz. Noch vor Sonnenaufgang zog es mich aus dem Schlafsack. Ich wollte unbedingt die Küstengegend erkunden. Es war wieder etwas kälter. Ausharren an einer Stelle war nahezu unmöglich. Also liefen wir die Küste ab, denn dort gehen die Füchse auf die Jagd.
Es war Ebbe, die beste Zeit, um sie zu erwischen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hörten wir ein mir vertrautes Rufen. Endlich! Einer der Füchse schien in der Nähe zu sein. Sekunden später kam aus der anderen Richtung eine Antwort. Es war Mitte März, und die Paarungszeit hatte begonnen. Es waren unglaubliche Szenen, die sich in den nächsten Minuten abspielten. Aus beiden Richtungen kamen die Polarfüchse in einem für sie typischen schnellen Tempo angerannt. Sie suchten die Küste innerhalb kürzester Zeit nach Nahrung ab. Wie viele Kilometer sie wohl am Tag zurücklegen würden, fragte ich mich.
Begegnung mit dem weißen Polarfuchs – Ein Traum wird wahr
Wir waren bereits wieder auf dem Rückweg, als wir im Augenwinkel etwas Weißes sahen. In dieser Gegend gibt es fast nur dunkle Polarfüchse, was insgesamt betrachtet auch die seltenere Fellfärbung ist. Doch mein Traum war es, einmal einem weißen Polarfuchs zu begegnen. Er wirkte schon fast etwas gespenstisch, als wir ihn schlafend und vor dem Wind geschützt an einem Stein entdeckten. Durch den fehlenden Schnee an der Küste war er weniger gut getarnt als seine dunklen Artgenossen. Aus diesem Grund gibt es die weiße Fellfärbung hier sehr selten. Eine ganze Weile beobachteten wir ihn, wie er friedlich am Stein schlief, bis er sich irgendwann streckte und fast schon geisterhaft in Richtung Klippen verschwand.
Rückzug im Schneesturm
Leider wurde das Wetter immer schlechter, sodass wir den Standort wechseln mussten. Doch auch dort war es zu diesem Zeitpunkt schon sehr ungemütlich. Die Schutzhütte war dieses Mal noch kleiner, weshalb wir alle zusammen in zwei Räumen schlafen mussten. Es war so kalt, dass wir selbst in der Hütte unseren Atem sehen konnten. Die Sicht nach draußen war durch die beschlagenen und zugefrorenen Fenster ebenfalls nicht möglich. Anderthalb Tage suchten wir hier nach weiteren Polarfüchsen, aber neben vielen Spuren im Schnee sahen wir nur zweimal kurz einen Polarfuchs für wenige Sekunden. Wir hatten mittlerweile kaum noch Sicht, da der Schneesturm so schlimm wurde, dass ich ohne eine Sturmhaube nicht mehr hinausgehen konnte. Meine Kamera konnte ich trotz Stativ nicht mehr still halten, sodass es unmöglich war, sie auf einen Punkt auszurichten. An diesem Punkt mussten wir abbrechen, denn es wurde zu gefährlich.
Unerwartetes Highlight: Vulkanausbruch macht die Reise unvergesslich
Zurück am Ausgangspunkt erfuhren wir, dass die Inlandsflüge wetterbedingt ausfielen und sich die Lage weiter verschlechtern würde. Deshalb organisierten wir uns kurzerhand ein Auto und fuhren in Richtung Süden. Zum Glück waren die Straßen noch frei. Schon einen halben Tag später saßen wir nachts in einer Pizzeria. Endlich hatten wir auch wieder Handyempfang. Beim Durchscrollen durch den Newsfeed in den Nachrichten wurde ein Vulkanausbruch in unserer Nähe gemeldet, der vor nicht mal 30 Minuten stattgefunden hatte. Ein Vulkanausbruch!! Wie genial ist das denn bitte? Das war wirklich Glück im Unglück, würde ich sagen.
Die Pizzas waren schnell gegessen, also machten wir uns sofort auf den Weg und konnten bereits kurz nach dem Losfahren den blutroten Himmel bewundern. Die Stimmung lässt sich nicht in Worte fassen. Wir fuhren noch etwa eine halbe Stunde weiter und fanden einen schönen Platz, an dem wir uns hinsetzen konnten, um das Spektakel zu beobachten. Mit der Stadt und ihren Lichtern im Vordergrund war es fast schon etwas unreal, welche Farben sich uns an diesem Abend boten – ein atemberaubender Anblick, der die Reise neben dem Polarfuchs unvergesslich machte.
Doch auch die schönsten und spannendsten Urlaube gehen irgendwann einmal zu Ende. Zwei Tage später saßen wir wieder im Flieger Richtung Heimat. Noch immer liefen die Erlebnisse der letzten Woche vor meinem inneren Auge ab. Für mich gibt es nichts Schöneres, als draußen in der Wildnis zu sein, denn Sonnenbaden kann schließlich jeder.
Schlusswort
An dieser Stelle möchte ich gerne nochmal betonen, wie friedlich es ist, den Polarfüchsen in solch einer unbewohnten Gegend, weit abseits der Zivilisation, zu begegnen. Hier findet keine Bejagung statt, sodass Angst und Scheu vor dem Menschen für die Tiere fremd sind. Wenn man sich ruhig verhält, kann man ihnen auf eine ganz besondere Weise näherkommen. Solche Plätze zählen für mich zu den allerschönsten Orten: Keine Bejagung, kein Massentourismus – einfach Tiere, die ohne Angst vor dem Menschen leben dürfen. Genau so sollte es überall auf der Welt sein.
Und für alle, die nicht genug von Polarfüchsen und meinen tierischen Abenteuern bekommen können, empfehle ich meinen Fotokalender für 2025.
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